Die Job-Beschreibung klingt nicht gerade einladend. Arbeitszeiten? Unregelmäßig und sicher nicht nur von 8 bis 16 Uhr. Dienstpläne? Hängen davon ab, wie es den Klienten zurzeit geht. Erfolgsaussichten? Unsicher, Rückschläge an der Tagesordnung. Kann man so ein Berufsbild spannend oder gar erfüllend finden? Monika Gerull kann. Seit zehn Jahren kümmert sie sich hauptberuflich um das Leben von Suchtkranken im "Ambulant Betreuten Wohnen" des Caritasverbandes Ahlen, inzwischen als Fachdienstleiterin. Genauso lange existiert dieses Hilfsprogramm seit dem 1. Juli 2018. Und zum Jubiläum, welches auch für sie ein Jubiläum ist, fällt ihre persönliche Bilanz eindeutig positiv aus: "Es ist spannend, erfüllend, weil es um Menschen geht, die sehr intensive Lebenshilfe brauchen."
Diese Herausforderung war für den Caritasverband Ahlen Anlass, am 1. Juli 2008 das Projekt "Ambulant Betreutes Wohnen" ins Leben zu rufen. Wo die schon damals bestehende klassische Suchtberatung nicht mehr ausreichte, wo Suchtkranke nachfassende und ergänzende Betreuung im persönlichen Lebensumfeld benötigten, sollte der neue Fachdienst greifen. Erste Mitarbeiterin: Monika Gerull. Zunächst als Einzelkämpferin und in Teilzeit beschäftigt, kniete sie sich in die Arbeit für Menschen mit allen Formen von Sucht: Alkohol, Drogen, Medikamente. So unterschiedlich ihr Alter, ihre Lebensgeschichten, hatten sie alle eines gemeinsam: Verlust des Lebensgleichgewichtes, der wichtigsten sozialen Fähigkeiten, sei es im Umgang mit Behörden, mit Geld, mit anderen Menschen. "Keiner von denen kam mehr allein zurecht, und jedem von ihnen war das auch bewusst", betont Monika Gerull.
"Teilhabe am Leben wieder herstellen oder neu stärken" - so lautete die offizielle Aufgabe. Durch Vermittlung ihrer Kolleginnen und Kollegen aus der Suchtberatung baute sie erste Kontakte auf, aus denen schnell ein wachsendes Netz von "Klienten" entstand. Waren diese bis 21 Jahre alt, ging der jeweilige Hilfsantrag an das Jugendamt; darüber hinaus waren der Landschaftsverband Westfalen-Lippe oder der Kreis Warendorf Ansprechpartner. Mit der stetig steigenden Anzahl von Betreuten wuchs auch der Umfang des ambulant betreuten Wohnens: Heute, zum zehnjährigen Jubiläum, kümmert sich ein Stab von 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Caritasverbandes Ahlen um aktuell 55 fest betreute Suchtkranke.
Kein Alltag wie jeder andere, wie Monika Gerull weiß. So gibt es auf der einen Seite Klienten, die durch die Hilfe ihrer Betreuer konsumfrei bleiben. Auf der anderen Seite ist von den "ganz normalen, liebenswerten Menschen" dieser oder jener schon mal eine Woche nicht erreichbar: "Dann sind sie eben auf Konsum, aber irgendwann melden sie sich auch wieder." Zwar gibt es sehr wohl Tagespläne für die Einzelbetreuung der Suchtkranken, aber: "Dann steht man in der Tür und sieht, dass die Klientin oder der Klient einen Rückfall hatte - und dann ist jeder Plan dahin". Und in manchen Fällen bleibt eine ganz nüchterne Erkenntnis: "Bei einigen wissen wir, dass sie nie wieder abstinent werden."
Das Angebot selbst hat die Caritas stetig erweitert, dem menschlichen Hilfsbedarf angepasst. Seit dem 1. März 2016 gehören psychisch Kranke zum Kreis der Betreuten, seit dem 1. Oktober 2016 auch Menschen "mit besonderen sozialen Schwierigkeiten". Heißt im Beispielfall: Verliert ein junger suchtkranker Mensch ein Elternteil, bricht schnell sein gesamtes Umfeld zusammen. "Das trifft Suchtkranke ganz anders, macht sie noch hilfloser", erklärt Monika Gerull. Dann geht es um Lebenssicherung - Erhalt der bestehenden oder Finden einer neuen Wohnung und Hilfe beim Hineinfinden in einen neuen stabilen Alltag.
Eine der wichtigsten Erfahrungen der Fachdienstleiterin nach zehn Jahren: "Mitleid ist der falsche Weg, das wollen die von uns Betreuten auch gar nicht." Wichtiger sei Vertrauen, "ein wenig Miteinander im Alltag". Wie kürzlich, als der Caritasverband Ahlen die ABW-Betreuten zu Kaffee, Kuchen und einem Besuch der Heessener Waldbühne einlud: "Das gibt ihnen das Gefühl, dazu zu gehören."